Benjamin – 37 Jahre – Depressionen

Ich bin Benjamin und leide an Depressionen

Hallo und guten Tag. Ich werde versuchen mich kurz zu halten und mich in diesem Erfahrungsbericht auf das Wesentliche zu beschränken. Daher erspare ich uns hier jetzt einen gesamten Lebenslauf. Meine Depressionen begannen recht spät, im Alter von 33 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich gerade meine Ehefrau von mir getrennt.

Depression - Erfahrungsbericht Benjamin: Highway to Hell

Es begann mit großen Angstzuständen, die sich zu richtigen Panikattacken ausgeweitet hatten. Einen richtigen Grund dafür konnte ich nicht erkennen. Da ich einen guten Job hatte und die Trennung mit meiner Exfrau gut, gütlich und im Einvernehmen abgelaufen ist.

Die Anfangszeit

In meinem Leben hatte ich zuvor bewusst nie etwas mit psychischen Erkrankungen zu tun. Ich fühlte mich zunehmend schwach, hatte Probleme den Alltag zu bewältigen. Und „als richtiger Mann“ hilft man sich bei psychischen Problemen am besten selbst. Dachte ich.

Also griff ich immer häufiger zum Alkohol. Gerade abends, weil es mir half einzuschlafen. Das geschah immer häufiger. Die Kranktage, an denen ich nicht zur Arbeit gehen konnte nahmen zu. Ich konnte mich niemandem anvertrauen. Ich habe mich geschämt und dachte ich werde selbst damit fertig.

Da ich aus einer ländlichen Region stamme und meine Arbeit nur mit dem Auto erreichen konnte, bin ich viel zu oft mit viel zu viel Restalkohol am nächsten Morgen zur Arbeit gefahren. Ein unverantwortliches Verhalten, was ich mir bis heute stark ankreide und hart daran arbeite, damit fertig zu werden. Das niemand geschädigt wurde ist ein großes Glück.

Die Einsicht

Mein damaliger Arbeitskollege, den ich heute als meinen besten Freund bezeichnen würde, nahm mich eines Tages zur Seite und sagte mir auf den Kopf zu, dass etwas mit mir nicht stimmt und ich mich verändert habe. In einem langen und vertrauensvollen Gespräch brach es dann aus mir heraus. Ich konnte nicht mehr so weitermachen. Mein Kollege hatte – anders als ich – Erfahrungen mit Depressionen. Seine Schwester war erkrankt. Ohne hier jetzt alles einzeln zu schreiben empfahl er mir, mich dringend behandeln zu lassen. Ich folgte seinem Rat.

Das Erstgespräch und die Psychotherapie

Erstmal vorweg möchte ich sagen: Die Wartezeiten (gerade auf dem Land) sind unerträglich lang. In meinem Fall waren es 20 Wochen. Wenn ich bedenke, dass ich in dieser Zeit auch andere Menschen gefährdet habe sind das 20 Wochen zu lang.

Beim Erstgespräch kamen wir dann schnell auf meine Kindheit zu sprechen. Ohne in meinem Erfahrungsbericht zu sehr ins Detail zu gehen sind folgende Sachverhalte aus meiner Kindheit wichtig. Meine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich Kind war. Ich bin in wechselnden Pflegefamilien aufgewachsen. Das hat dazu geführt, dass ich als Kind keine langfristigen und vertrauensvollen Beziehungen aufbauen konnte. Heute weiß ich, dass das der Auslöser für meine Angstzustände war, die ich damals gar nicht einordnen konnte. Aber erst die Erkenntnis der Zusammenhänge macht es mir möglich, dass ich mich diesen uralten Ängsten vor dem ewigen „Alleinsein“ stellen kann. Die Trennung von meiner Frau löste dieses dann massiv aus.

Fazit

Ohne Fazit wäre mein Erfahrungsbericht wohl zu kurz. Daher schreibe ich nochmal kurz, was mir besonders wichtig ist.

  • Durch falschen Stolz und Ahnungslosigkeit habe ich mein Leben und das Leben anderer Menschen gefährdet. Ich möchte anderen diesen „Highway to Hell“ ersparen.
  • Holt euch so früh wie möglich alle Hilfe, die ihr bekommen könnt.
  • Ich mag nicht von Heilung, aber von Verbesserung sprechen. Diese beginnt damit, dass man versteht, was mit einem los ist. Ohne fremde Hilfe hätte ich das nie geschafft.
  • Ich verdanke meinem aufmerksamen Arbeitskollegen, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Menschen, die andere Menschen beobachten und sich für diese interessieren, sind unendlich wichtig und leider zu selten.
  • Ich schreibe diesen Erfahrungsbericht hier, um zu helfen über die Krankheit zu informieren und für eine verbesserte gesellschaftliche Akzeptanz zu sorgen.

Wie sind Deine Erfahrungen?

Hast Du ähnliche oder andere Erfahrungen? Diskutiere mit uns hier und auf Facebook. Oder schreib uns Deinen eigenen Erfahrungsbericht – nähre Infos hierzu findest zu hier.

Depressionen und psychische Leiden und Erkrankungen werden immer noch viel zu häufig abgetan oder sogar stigmatisiert. Wir freuen uns über jeden, der unsere Erfahrungsberichte oder Infoartikel teilt, damit sich etwas ändert.

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